Das Smartphone einfach mal links liegen lassen? Montags nicht ins E-Mail-Postfach schauen? Ohne Navi ins Grüne fahren? Für viele Personen unvorstellbar. Doch der Gedanke an ein Technik-Detox, an eine Auszeit von der alltäglichen Hektik reizt ebenso – vielleicht also doch mal ganz ohne alles auf sich selbst besinnen und als Radikalkur einen Therapie-Urlaub zur Selbstfindung buchen?

Allein, aber nicht einsam

Ist es Ihnen auch schon einmal so ergangen: Sie kamen aus dem Urlaub, und bereits nach einem Tag war die gesamte Erholung wieder hin? Oder noch schlimmer, der Urlaub war gar nicht erholsam, denn Sie haben sich mit Ihrem Partner entzweit, entgegen Ihrer eigenen Überzeugung nur die Wünsche Ihrer Familie erfüllt oder waren wie rund zwei Drittel aller berufstätigen Deutschen ständig für Ihren Job erreichbar? Und jetzt ist Ihnen nach einer kurzzeitigen, radikalen Veränderung, etwas völlig Neuem, etwas, das Ihr Verlangen nach Klarheit und Regeneration stillt, nach einer Reise ins eigene Ich?

Damit wären Sie beileibe nicht allein. Immer mehr Urlauber entscheiden sich gegen den All-inclusive-Cluburlaub und für einen Selbstfindungstrip, eine Möglichkeit, Abstand zu schaffen von privaten Problemen, innere Hürden zu überwinden und kreativ sowie ausgeruht wieder ins Alltagsleben zurückzukehren. Die privaten oder beruflichen Gründe sind ebenso vielfältig wie die Möglichkeiten einer solchen Auszeit, die bei Yoga-Seminaren am Strand beginnen und einer Nacht in einem Hochlager des höchsten Berges der Welt enden. Suchen Sie keine komplette Abgeschiedenheit von der Zivilisation, möchten Sie spontan entscheiden, ob Ihnen der Sinn nach einem Dinner for One oder einem Abend in Gesellschaft steht, ist auch das möglich: Sie können allein in den Urlaub fahren und dennoch auf andere Menschen treffen.

Yoga am See

Erleuchtung und Entschleunigung

Spätestens seit Hape Kerkelings Bestseller „Ich bin dann mal weg“ aus dem Jahr 2006 dürfte der Jakobsweg auch all jenen ein Begriff sein, die sich zuvor noch nie mit Wallfahrten oder Pilgerreisen beschäftigt haben. Und spätestens seitdem ist mindestens ebenso vielen bekannt, dass der ursprünglich rein religiöse Aspekt selbst beim Pilgern zu heiligen Stätten wie dem französischen Lourdes nicht mehr der primäre Beweggrund für einen Tourantritt sein muss. Vielmehr ist der Weg das Ziel, die spirituelle Erfahrung, die Hoffnung darauf, sich zwischen Stock und Stein selbst zu finden und zur Ruhe zu kommen.

Doch wochenlang mit kaum Gepäck im Rucksack unebene Strecken in rauer Natur zu bestreiten und nach kräftezehrenden Tagesmärschen abends energielos auf eine Holzpritsche zu fallen – so sehen die Wege nach Santiago de Compostela in Nordspanien, nach Vacha in Thüringen oder Antiochia in der Türkei schon lange nicht mehr aus. Im Gegenteil: Auf den Spuren damaliger Gläubiger wandeln heutzutage nicht nur Sie, sondern mit Ihnen Wanderer aus aller Welt. Allein deren Anzahl auf dem Jakobsweg soll sich innerhalb der vergangenen gut 30 Jahre von damals 10.000 auf beinahe 300.000 im Jahr 2019 vervielfacht haben. Eine Entwicklung, die dem spanischen Touristenverband nur bedingt gefällt. Doch auch in anderen Regionen der Welt wird kürzlich noch unberührte Natur zur Massenware.

Zelte im Mount Everest Basecamp

Vom Chefsessel zum Gipfelkreuz

Für den Mount Everest gilt: Einsame Männer im schneereichen Gebirge waren einmal. Seit Jahren blüht der Trekkingtourismus im Grenzgebiet zwischen Tibet und Nepal und lockt immer mehr auch unerfahrene Wanderer und Kletterer zu einem waghalsigen Abenteuer, das Läutern und neue Einblicke ins eigene Innere liefern soll. Bei Interesse können Sie sich einer der zahlreichen Expeditionen anschließen, die regelmäßig den ultimativen Kick versprechen. Preiswert ist dies allerdings ebenso wenig wie ungefährlich – nicht jeder, der es wirklich bis ganz zum Gipfel schaffen wollte, kam auch wieder herunter. Schlagen Sie Ihr Zelt allerdings ausschließlich am Basislager auf, bevor Sie es wieder abbrechen und den Weg nach Hause antreten, erleben Sie einen Natur-Luxus-Urlaub mit WLAN und heimischem Bierangebot. Eine Kombination, die auch Ökotouristen nicht ganz unbekannt sein dürfte …

Mit Luxus die Welt retten

Woran denken Sie bei Ökotourismus? An Fahrrad fahren statt Auto, ein Essensangebot aus lokalen, unverpackten Spezialitäten und Hotels mit Solaranlage? Sie können auch auf abenteuerlichere Weise die Welt retten und aus Ihrem Alltagskorsett ausbrechen. Mit entbehrungsreichen Trips durch den Urwald locken vor allem wirtschaftlich benachteiligte Regionen in Asien, Afrika oder Südamerika. Abgesehen vom Flug zum Ankunftsort stehen bei diesen Reiseangeboten im Namen der Natur Umwelt, Tierschutz und soziale Aspekte im Vordergrund. Sie schlafen in Baumhäusern in den Wipfeln jahrhundertealter Dschungelriesen und erkunden am Tag in höchsten Höhen und an Stahlseilen hängend die dort heimische Flora und Fauna. Diese Art des Ökotourismus scheint eine Win-win-Situation: Je mehr Touristen ins Land kommen, desto weniger illegale Wilderei, Holzbeschlag oder Brandrodungen werden vermeldet. Und Sie selbst? Profitieren mit Sicherheit von einer völlig neuen Sicht auf die Dinge – nicht nur, was den räumlichen Aspekt betrifft.

Erntehelfer bei der Weinlese

Von einem Job zum nächsten

Zu wissen, dass ein Anteil der finanziellen Einnahmen Ihrer Reisekosten Wiederaufforstungsprojekten oder Tieraufzuchtstationen zugutekommt, ist Ihnen nicht genug des Guten? Dann werden Sie selbst aktiv und entscheiden sich für einen Urlaub, in den Sie ihre körperliche Arbeitskraft investieren. Sie haben nach dem Abitur als Au-Pair-Mädchen gearbeitet oder Ihren Freiwilligendienst in einem Kibbuz geleistet? In diesen Fällen erinnern Sie sich sicher noch an das System Kost und Logis gegen die Ausführung verlangter Tätigkeiten. Dies alles gibt es auch noch heute, für kürzere Zeiträume und Personen jedes Alters.

Ob in der Winter- oder Sommersaison: Almwirte in Österreich und der Schweiz suchen ebenso regelmäßig nach helfenden Händen wie Tierschutzvereine, Förstereien oder Weinfarmen. Verbringen Sie einige Wochen mit Gleichgesinnten beim Holzhacken, lernen Sie, wie aus Milch Käse entsteht, kompostieren Sie Küchenabfälle, füttern Hühner oder jäten Unkraut. Es wäre nicht überraschend, zeigte Ihnen diese höchstwahrscheinlich ungewohnte Arbeit neue Horizonte auf. Ein weiterer Weg zur Selbstfindung findet sich in kulturellen Gruppenreisen: Wohnen Sie eine Woche mit weniger privilegierten Familien in deren Privatunterkünften, kochen Sie mit ihnen traditionelle Spezialitäten, helfen Sie ihnen bei der Ernte und dem Marktverkauf oder den Kindern bei den Hausarbeiten.

Die eigenen Grenzen durchbrechen

Eine fast gegensätzliche Art der Reise ins Innere Ich können Sie bei Klosteraufenthalten erfahren. Die Nachfrage nach Urlauben in ehemaligen oder auch noch immer aktiven Abteien wächst – und mit ihr die Auswahl an möglichen Aufenthalten. Entscheiden Sie sich zwischen kargen Räumen mit harten Betten und komfortabel ausgestatteten Zimmern, überlegen Sie, ob Sie Kontakt zu Außenstehenden halten oder Ihr Handy abgeben, mit Mönchen und Nonnen sprechen oder einige Tage ausschließlich schweigen, gesund essen oder komplett fasten möchten. Mit Angeboten wie Yoga-Camps und Meditationsseminaren, Bogenschießen und sogar dem möglichen Gang über glühende Kohlen werden Sie mit Sicherheit neue Erkenntnisse über sich selbst gewinnen, inneren Ängsten erfolgreich begegnen und trotz oder gerade wegen der absoluten Abgeschiedenheit Laptop, Tablet und Co. nicht einmal vermissen.

pool

Muss das alles wirklich sein?

Das klingt zwar unzweifelhaft alles nach Selbstfindung, in Ihren Ohren allerdings jeweils ein wenig zu drastisch? Einen Schritt weniger auf dem unbekannten Pfad der neuen Selbsterkenntnis zu gehen, wäre in Ihren Augen für den Anfang völlig ausreichend? Auch das ist selbstverständlich möglich. Für viele ist ein einfacher Aufenthalt in einem Kurbad, ausreichend Bewegung an der frischen Luft, das Ausleben bislang unterdrückter Kreativität der Schlüssel zum Erfolg, der Weg, sich selbst besser kennenzulernen und zur Ruhe zu kommen. Dabei bestimmen Sie ganz allein, wie viel Abstand zum Alltag Sie benötigen und mit welchen Beschäftigungen Sie Ihrem Ziel am nächsten kommen.

Intensives Intervalltraining soll gesund sein, Sie aber gehen lieber schwimmen? Dann stürzen Sie sich unbedingt in die Fluten statt in ein schweißtreibendes Workout. Sie möchten einfach nur mit einem guten Buch die Welt um sich herum vergessen, mal wieder puzzeln wie als Kind oder von einer Berghütte aus jeden Morgen den Sonnenaufgang beobachten? Ist eine dieser Vorstellungen eines erholsamen Urlaubs Ihr Wunsch, verwirklichen Sie ihn! Wandern Sie von Almhütte zu Almhütte, anstatt nach Mekka zu pilgern, streicheln Sie die Katze zu Ihren Füßen, anstatt den Elefanten in Kenia zu füttern. Es gibt unzählige Möglichkeiten, wie Sie Ihre nächste Reise so gestalten können, dass Sie sich selbst finden und nach ihrer Beendigung für weitere Wochen noch erholt an Ihrem Bürotisch sitzen.

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