Es gibt diesen Moment im Jahr, in dem der erste kalte Morgen die Küche erreicht. Die Fenster beschlagen leicht, der Atem wird sichtbar, und plötzlich erinnere ich mich an den Duft frisch gebackener Kekse. Für mich beginnt damit die Zeit, in der Kochen nicht lauter, sondern leiser wird. Keine Pfannen, die zischen. Nur Mehl, das sich auf die Arbeitsplatte legt, als würde es sagen: gut, wir fangen an.

In den Küchen, in denen ich gelernt habe, war die Weihnachtsbäckerei immer ein Widerspruch. Alles musste schnell gehen, aber die Rezepte selbst verlangten das Gegenteil. Ein Stollen, der nicht ruhen durfte, wurde zäh, ein Kipferl, das zu warm geformt wurde, zerbrach. Ich erinnere mich gut an einen Dezemberdienst, in dem wir zu dritt fünf Bleche Kipferl zerstörten, weil jemand dachte, die Kühlung überspringen zu können. Es war der ruhigste Fluchmoment einer Profiküche, den ich je erlebt habe.

Als Koch empfehle ich dir, dir einmal diesen kleinen Anachronismus bewusst zu machen. Backen ist die einzige Tätigkeit, in der nicht wir den Ton angeben, sondern der Teig. Ein Teig hat kein Interesse an deiner To-Do-Liste. Er nimmt sich die Zeit, die er will, und zeigt dir sehr direkt, wenn du schneller sein willst als er. Es gibt kaum ein ehrlicheres Feedback im Leben als ein misslungenes Kipferl.

Was mich jedes Jahr aufs Neue fasziniert, ist, dass ausgerechnet die einfachsten Teige die höchste Konzentration verlangen. Ein Mürbeteig verzeiht nichts, wenn du ihn zu warm machst. Ein Stollenteig zeigt dir deinen Charakter, wenn du ihn führst. Rosinen, die nicht eingeweicht wurden, schmecken nicht. Und ein Kipferl, das lieblos geformt wird, schmeckt auch genau so. Es ist eine fast unbequeme Art von Ehrlichkeit, aber eine, die man heute selten erlebt.

Vanillekipferl von Thomas Sixt auf schwarzem Hintergrund

Vielleicht ist das der Grund, warum ich beim Backen mehr Gelassenheit finde als bei jedem Festbraten. Es gibt Momente im Advent, in denen ich mich frage, ob nicht wir die Hektischen sind und der Teig der Geduldige. Wenn du mit kalten Händen Kipferl rollst oder Rosinen in Rum einlegst, dann hat das etwas, das man nicht simulieren kann. Keine App riecht, wenn ein Teig bereit ist. Keine Maschine spürt, ob ein Kipferl bricht. Küche bleibt menschlich, weil Geschmack etwas ist, das man fühlen muss.

Und dann begegnet mir die moderne Art zu backen, die mich jedes Jahr aufs Neue irritiert. Rezepte, die schneller sein wollen als der Teig. Backmischungen, die behaupten, wie hausgemacht zu schmecken. Und seit kurzem sogar künstliche Intelligenzen, die versuchen, uns Weihnachtsgebäck zu erklären. Das ist der Punkt, an dem ich innerlich immer lachen muss. Eine KI kann Teig beschreiben, aber nicht kneten. Sie kann dir Backzeiten auswerfen, aber nicht fühlen, wann es soweit ist. Technik kann vieles ersetzen, aber nicht den Moment, in dem ein Vanillekipferl noch warm nach Butter und Geduld riecht.

Vielleicht backen wir deshalb jedes Jahr wieder. Nicht wegen der Tradition, nicht wegen der perfekten Formen, sondern weil uns ein einfaches Blech Kekse daran erinnert, dass wir Menschen sind. Ungeduldig, unkonzentriert, manchmal zu schnell. Und die Küche nimmt uns genau so an und zeigt uns gleichzeitig, wie es besser geht. Ohne Urteil, ohne Stress, ohne Abkürzung.

Zimtsterne von Thomas Sixt auf rotem Teller auf Holztisch

Ich wünsche dir und deinen Liebsten einen warmen Beginn der Advents- und Weihnachtszeit. Und wenn du Lust hast, probiere meinen Weihnachtsstollen oder Vanillekipferl und Zimtsterne. Vielleicht gelingt dir dabei das seltenste aller Weihnachtswunder: etwas Zeit nur für dich.

Thomas Sixt ist Koch und Food-Fotograf. Als Buchautor betreibt er den Rezepte-Blog ThomasSixt.de und schreibt die monatliche Foodblog-Kolumne für den Varta-Führer.

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